| HOME | NEWS | AWARDS | ABOUT ME | TEXTE | REFERATE | PROJEKTE |
|
MUSIK | CHAT | SPECIAL | LINKS |

Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels in England

Definition: Das bürgerliche Trauerspiel, das in der Aufklärung entstand, gestaltete das tragische Schicksal von Menschen bürgerlichen Standes, denen noch im Barock wegen der Sändeklausel nur die Kömödie vorbehalten war. Der tragische Konflikt wurde durch den Gegensatz der sozialen Schichten ausgelöst. Allerdings bekämpfte oder negierte das bürgerliche Trauerspiel die ständische Ordnung keineswegs. Wertmaßstab für alle Stände waren die bürgerlichen Normen der Tugend und Humanität. Somit war das bürgerliche Trauerspiel auch eine Manifestation bürgerlichen Selbstverständnisses und Selbstbewußtseins. Die Lösung vom Vorbild der französischen klassischen Tragödie kam auch in der Sprache zum Ausdruck: statt in Versform war das bürgerliche Trauerspiel in Prosa abgefasst.

Von der Tragödie zum bürgerlichen Trauerspiel
Nach der elisabethanischen Tragödie verliert das tragische Problem seine scharfe Kontur. Bei den jüngeren Autoren nehmen die blutrünstigen Leidenschaftsdramen mehr und mehr den Charakter von Bloßen Trauerspielen an und gehen teilweise bereits ins Melodram über. Ihre Helden sind in der Mehrzahl solche, die nicht mehr selber den Zwiespalt von Vernunft und Leidenschaft durchleben. Es sind oft skrupellose Verbrecher, die durch ihren kompromißlosen Mut zum Bösen den Eindruck einer gewissen Größe vermitteln und dem Zuschauer heimliche Bewunderung abnötigen. Doch tragisches Pathos haben nur noch wenige. Ihr Tod hinterläßt mehr moralische Befriedigung als kahartische Entlastung.
Der größte Teil der heute noch geschätzten Tragödien jener Zeit ist, wie man annimmt, vor 1616 entstanden, wenngleich es auch danach noch das eine oder andere Werk des tragischen Genres gab. Dabei lassen sichin den immensen Produktion der ganzen Epoche einige wenige Grundtypen unterscheiden. In der Zei der ersten Hochblüte überwog das de casibus-Modell. Es sind Stücke, in denen Aufstieg und Fall einer historischen Person vorgeführt wird. Dieses Modell, das man bei Marlowe, Shakespeare, Chapman und Ben Jonson findet, enspricht am ehesten der heutigen Auffassung der Tragödie. Da mit dem Aufstieg des tragischen Helden meist eine Gewalttat verbunden war, von der eine Racheforderung ausging, entwickelte sich parallel zu dem ersten Modell ein zweites, die Rachetragödie, die mi Kyds "Spanischer Tragödie" beginnt, sich im "Hamlet" fortsetzt und dann von Marston und Tourneur mit einem dritten Modell, der Sensationstragödie, verschmolzen wird. Dieser dritte Typus, den man wegen seiner bevorzugten Effekte zuweilen als sex-and-crime-Stück bezeichnet, war nach 1610 die dominante Form. Hier weicht die tragische Grundstruktur nahezu vollständig demSchuld-und-Sühne-Verlauf, dessen blutiges Ende statt kathartischer Entlastung nur noch moralische Befriedigung hinterläßt.
Die tragische Ambivalenz muß am ausgeprägtesten in den letzten zwei Regierungsjahrzehnten Elisabeths gewesen sein. In dieser Zeit hat das englische Volk zum letzten mal besorgt und bewundernd zur Krone aufgeschaut und um deren Stabilität gebangt, als sich abzeichnete, daß die Königin keinen Sohn und leiblichen Erben haben würde. Zugleich war das aber auch die Zeit, in der das Unterhaus die politische Initiative errang und das Bürgertum, vom Puritanismus beflügelt, zunehmend an Selbstbewußtsein gewann. Elisabeth der Ersten gelang es, die konservtiven und die progressiven Kräfte dank ihrer genialen Staatskunst auszutarieren. Nach ihrem Tod kam ein schottischer König auf den Thron, dem das Gleichgewicht bald aus den Händen glitt, als er durch die Entlassung Edward Cokes das Parlament gegen sich aufbrachte. Unter Karl dem Ersten brach der Balken der elisabethanischen Waage vollends, und es kam schließlich zum Bürgerkrieg. Für die Menschen dieser Zeit gab es nur die eindeutige Parteinahme. Man stand entweder auf der Seite des Königs oder der des Parlaments. Die ideologische Teilhabe an beiden Welten, der vertikal-aristokratischen und der horizontal-bürgerlichen, war kaum noch möglich. Damit schwand auch der ideologische Nährboden der Tragödie. Was blieb, waren sensationelle Trauerspiele, die neben dem Bedürfnis nach Unterhaltung auch das nach moralischer Gerechtigkeit befriedigten. Das tragische Phobos-Eleos-Schema wich dabei dem Schuld-Sühne-Schema, das die Grundstruktur des bürgerlichen Trauerspiels bestimmt.
Bürgerliche Stoffe hatten in England anderthalb Jahrhunderte früher als auf dem Kontinent Eingang ins erste Drama gefunden. Das vermutlich erste bürgerliche Trauerspiel war das anonyme Sück "Arden von Feversham", das etwa 1592 auf die Bühne kam. Es folgten Thomas Heywoods " A Woman Killed with Kindness"(ca. 1603; Sie starb anihres Gatten Güte), dann ein weiteres anonymes Werk, " Eine Tragödie in Yorkshire" (ca. 1605-1608),und ewa 15 Jahre später John Fords"Hexe von Edmonton". Ein Stück, in dem ds Umschlagen der hohen Tragödie in ein bürgerliches Rührstück geradezu paradigmatisch vorgeführt wird, ist Dekkers Zweiteiler "Die ehrbare Dirne" (1604), an dessem erstem Teil vermutlich Thomas Middleton mitgewirkt hat. Hier erscheint die ambivalente Gleichzeitigkeit von vertikaler und horizontaler Sicht in Gestal der tragisch angelegten Haupthandlung und der tragikomischen Nebenhandlung fast wie ein Gleichnis der gesamten elisabethanischen Epoche. In der tragischen Handlung wird die verraute Spannung zwischen Vernunft und Leidenschaft aufgebaut und am Schluß durch Versöhnung und moralische Besserung gelöst, während der von seiner Frau malträtierte Tuchhändler in der Nebenhandlung durch seine moralische Standhaftigkeit positiv die horizontale Bürgerwelt verkörpert. Auch dieser frühe Übergang der Tragödie ins bürgerliche Trauerspiel deutet darauf hin, daß man in der elisabethanischen Tragödie die Geburtswehen der bürgerlichen Gesellschaft vor einem hat.
Während die großen Freilichttheater Londons weiter gegen den stetig anwachsenden Widerstand der Stadtväter vor den Toren der Stadt ein aus allen Schichten zusammengesetztes, doch überwiegend bürgerliches Publikum mit Unterhaltung versorgten und dazu neben Sensationsdramen in zunehmendem Maße Komödien und Tragikomödien spielten, boten innerhalb der Stadtgrenzen überdachte Saaltheater Unterhaltung für ein zahlungskräftiges Publikum an, ds sich vor allem am höfischen Geschmack orientierte. Hier setztesich die von Ben Jonson in Zusammenarbeit mit dem Architekten Inigo Jones für den königlichen Hof entwickelte Form des Maskenspiels durch. In dieser unter Jakob dem Ersten einsetzenden Aufspaltung des Publikumsgeschmacks spiegelt sich die obenerwähnte Trennung in die politischen Lager der königstreuen und der Anhänger des Parlaments.


| HOME | NEWS | AWARDS | ABOUT ME | TEXTE | REFERATE | PROJEKTE |
|
MUSIK | CHAT | SPECIAL | LINKS |